Eindrücke mit Collagen

Tagblatt Ostschweiz   •   8. Oktober, 2016

ANECKERTAL. Seraina Appiah-Alder erstellt nebst typographischen Arbeiten Bilderkombinationen in ihrer Freizeit, um Eindrücke von Städtereisen weiterzuvermitteln. Sechs ihrer Arbeiten wurden am Wochenende an der Ausstellung Grafik 13 in Zürich präsentiert.

ROUVEN KUSTER

NECKERTAL. In Zürich in einem Café sitzen und alles in sich aufsaugen: Menschen, Gerüche, Geräusche. Eine Flut an Eindrücken, «eine Inspirationsflut», sagt Seraina dazu. «In einer Grossstadt ist das natürlich noch extremer», so die typographische Gestalterin aus Brunnadern.

Sie schwärmt von New York, ihrer Lieblingsstadt: «Als ich die Stadt zum ersten Mal besuchte, war ich so überwältigt von den vielen Impressionen. Dann habe ich angefangen, diese festzuhalten. Die Fotografien haben mir dabei geholfen, sie zu verarbeiten und im Kopf zu ordnen.» Auch ihre nächste Reise führt sie zum Big Apple. Eigentlich ein ganz normaler Ausflug mit Partner und Freunden. Für einen Tag aber wird sich Seraina von der Gruppe verabschieden. Dann nimmt sie ihre Kamera und lässt die Stadt auf sich wirken. Ein typischer, nobler New Yorker Hauseingang mit steinerner Treppe fasziniert sie genauso wie das Graffiti im Künstlerviertel. Seraina liebt Gegensätze. So sind auch ihre Fotomontagen mit den Fotografien ihrer Städtereisen ein Spiel mit dem Kontrast.

Ein Logo für Luigi Irauzqui

Die Vereinigten Staaten haben es der jungen Kreativen angetan. Als sie letztes Jahr ein Angebot für einen Auftrag von einem bekannten Designer aus Los Angeles bekommt, sagt sie ohne zu zögern zu: Luigi Luis Irauzqui, Style Editor für Harper’s Bazaar Interiors, sucht jemanden, der für seine Wohnaccessoires-Kollektion ein Logo entwirft. Dank der Weiterempfehlung ihres gemeinsamen Kollegen Roger Bollhalder fällt Serainas Name. Der Designer ist zuerst skeptisch, zu umständlich erscheint ihm eine Zusammenarbeit mit einer Grafikerin aus der Schweiz. «Er hat aber zugestimmt, mich trotzdem kennenzulernen. Dann haben wir miteinander geskypt und schliesslich bekam ich den Auftrag.» Während der vier darauffolgenden Monate entwickelt und konzipiert sie ein Logo für diesen renommierten amerikanischen Designer.

Wie bei jedem Kunden muss Seraina Alder zuerst herausfinden, was Irauzquis Arbeit für ihn bedeutet und seine Person besser kennenlernen: «Wir haben viel über Facebook und E-Mail kommuniziert.» Eine grosse Herausforderung dabei: Irauzqui ist selbst ein Experte. So diskutieren die beiden schon bald über Farbschemen und andere gestalterische Feinheiten. Hinzu kommt, dass die ganze Kommunikation in Englisch geführt wird: «Meine Argumente für meine Entscheidungen mussten sehr überzeugend sein, zumal er selbst in diesem Berufsfeld tätig ist und seine präzisen Vorstellungen hatte.» Schliesslich war Irauzqui mit dem Endprodukt zufrieden. Seraina Alder hat für sein Logo das Motiv eines alten Kompasses gewählt – als Symbol für seine internationale Orientierung.

Seraina Appiah-Alder reiste vor eineinhalb Jahren nach New York. Von der Atmosphäre und den vorherrschenden Gegensätze der amerikanischen Grossstadt wurde sie geprägt: «In New York sieht man beispielsweise einen blank geputzten Platz, auf dem Leute der Glamourwelt stolzieren und zwei Häuserblocks weiter leiden Obdachlose unter der Armut», sagt Seraina Alder. Die mitgenommenen Impressionen wollte die gebürtige Brunnödligerin stärker festhalten als nur auf geknipsten Fotografien.

Aussagen durch Kombination

Seraina Appiah-Alder experimentierte mit ihrem Wissen als typographische Gestalterin und den auf der Reise gemachten Fotos. So entstanden Bildmontagen, die durch die Kombination unterschiedlicher Szenen und Schauplätzen neue Aussagen bekamen. Beispielsweise kombinierte sie für Stadtbilder statische Gebäude mit Momentaufnahmen aus Cafés. «Ich möchte mit meinen Bildern die eigenen Erlebnisse festhalten und meine subjektive Wahrnehmung der aktuellen Verhältnisse bildlich veranschaulichen können», sagt Seraina Appiah-Alder.

Da die Bilder grossen Anklang bei ihren Freunden fanden, rieten diese ihr, sich an ein grösseres Publikum zu wenden. So erstellte Seraina Alder eine Website über sich und ihre zusammengeschnittenen Bilder. Über diese wurde sie vom Komitee der Werkschau «Grafik 13» gefunden und angefragt, ob sie an der diesjährigen Ausstellung mitwirken möchte.

Sprungbrett für Aufträge

Die Werkschau Grafik 13 soll den Künstlern helfen, Fuss in der Branche zu fassen, Aufträge zu bekommen und ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Für die Besucher sollen vor allem die aktuellen Tendenzen in der Branche «Grafik und junge Kunst» aufgezeigt werden. Vertreten ihre Bilder die aktuellen Tendenzen? Seraina Appiah-Alder verneint diese Frage. «Ich habe das Gefühl, dass meine Bilder weniger von einem aktuellen Trend geprägt sind, sondern vielmehr ein zeitloses Sujet thematisieren.» Ihr Ziel sei es, eine neue Aussage zu kreieren, indem sie verschiedene Fotos kombiniere. «Durch meinen Berufswechsel und die deswegen erlernten Fertigkeiten kann ich den Menschen meine Sicht über den Stand der Dinge vermitteln», sagt sie.

Sinnvoller Spurwechsel

Seraina Appiah-Alder war nicht von Anfang an in der gestalterischen Branche tätig. Nach der Oberstufe absolvierte sie eine Lehre als Detailhandelsfachfrau. «Ich merkte bald, dass es nicht das Richtige für mich war, dennoch wollte ich die Ausbildung abschliessen», sagt sie. Nach dem Lehrabschluss schnupperte sie drei Monate lang im Betrieb ihres Vaters, Alder Grafik Design. «Dieser Job war sofort etwas für mich, da ich zwar nicht von Hand zeichnen konnte, aber immer schon von der visuellen Gestaltung begeistert war.» Deshalb bildete sich Seraina Alder zur typographischen Gestalterin für visuelle Kommunikation weiter. Sie habe so ein gestalterisches Hobby zu ihrem Beruf machen können.

Prägende Gegensätze

Im neu gefundenen Beruf hat Seraina Appiah-Alder die Möglichkeit, sehr spontan Ferien zu buchen und Reisen zu unternehmen. Als Ziel der Reisen kamen für Seraina Alder meistens nur Städte in Frage. «Nirgends sonst trifft man auf so starke Gegensätze wie in Grossstädten», erläutert Seraina Appiah-Alder. «Man darf davor nicht die Augen verschliessen. Man muss sehen, was auf der Welt passiert», sagt Seraina Appiah-Alder. Ihre Arbeiten fasst sie unter dem Überbegriff «Alles was mich bewegt» zusammen.

James Dean und Marilyn Monroe

Nebst Collagen von Städtereisen porträtiert Seraina Appiah-Alder Ikonen, die sie ebenfalls inspirieren oder faszinieren. «Die Fotos dazu sind natürlich nicht von mir selbst gemacht», erklärt sie lachend. Sie hätte die Fotos neu kombiniert und teilweise mit motivierenden Schriftzügen versehen. Bisher kreierte sie Collagen von Marilyn Monroe, James Dean, dem Rapper Tupac und Muhammad Ali. Das Bild von Muhammad Ali befand sich unter den sechs ausgestellten Stücken an der «Grafik 13». Für die Ausstellung liess Seraina Alder ihre Collagen auf bis zu 1.60 Meter breite Leinwände drucken.

Bisher hat Seraina Alder nur ein positives Echo für ihre Arbeiten bekommen sowie erste Anfragen für weitere Aufträge. Darum möchte sie diesem Hobby fortan auch mehr Zeit nebst dem Job widmen. Collagen zu Sydney und Istanbul sind bereits in Planung.

Website von Seraina Appiah-Alder für eine Übersicht der Bilder und Anfragen zu Aufträgen:www.serainaraina.com

Blockaden lösen

Als sie gerade angefangen hatte, als Grafikerin zu arbeiten, wollte sie um acht Uhr morgens an den Computer sitzen und anfangen. Nicht immer mit Erfolg. Wenn sie heute eine Blockade hat, geht sie meist einfach raus: In Brunnadern in die ruhige, verträumte Winterlandschaft, in Zürich auf die hektischen Strassen oder eben in ein Café.